Böse Geister (Die Dämonen)
Ab 1870 schreibt Dostojewskij an 'Böse Geister', 1871 erscheinen die ersten beiden Teile als Vorabdruck im 'Russischen Boten'(Russkij westnik). Der dritte abschließende Teil folgt 1873. "Es war aber daselbst eine große Herde Säue an der Weide auf dem Berge. Und sie baten Ihn, daß Er ihnen erlaubte, in dieselben zu fahren. Und er erlaubte es ihnen. Da fuhren die teufel aus von dem menschen und fuhren in die Säue, und die Herde stürzte sich von dem Abhang in den See und ersoff. da aber die Hirten sahen, was da geschah, flohen sie und verkündeten es in der Stadt und in den Dörfern. Da gingen sie hinaus zu sehen, was da geschehen war, und kamen zu Jesu und fanden den Menschen, von welchem die Teufel ausgefahren waren, sitzend zu den Füßen Jesu, bekleidet und vernünftig, und erschraken. Und die es gesehen hatten, verkündigten es ihnen, wie der Besessene war gesund geworden." Diese Passage aus dem Lukasevangelium (8, 32-37) stellt Dostojewskij seiner düsteren Geschichte aus einer russischen Kleinstadt voran. Historische Ereignisse um den Anarchisten und skrupellosen Mörder Netschajews (1847-1882)aufgreifend, zeichnet Dostojewskij das Bild einer durch nihilistisch-revolutionäre Umtreibe aus dem Lot geratenen Gesellschaft. Netschajew ist das empirische Vorbild für den bösen Geist Pjotr Werchowenskij, einen der zerstörerischen Brandstifter, im ideellen und schließlich auch tatsächlichem Sinne. Doch die eigentlichen Hauptpersonen sind Strawrogin, der an nichts mehr glaubt, gleichzeitig alles sein kann, weil er innerlich nichts mehr ist und Stepan Werchowenskij, ein lächerlicher alter Wichtigtuer. Strawrogin hat er die Eigenschaft aller wahren Genies, er kann verführen und...- fallen lassen. Stepan Werchowenskij, der zunächst im Mittelpunkt des gesamten Romans stehen sollte, wird als ungewollter Wegbereiter des Nihilismus beschrieben. Dostojewskijs desillusionierter Blick auf die Verführbarkeit des Menschen für inhumane Ziele, zeigt seine Sehergabe. Die geistigen und seelischen Grundlagen der Diktaturen des 20. Jahrhunderts hat Dostojewskij, der Autor der Großinquisitorgeschichte, in diesem Roman genau beschrieben. Aber es geht doch immer um die seelischen Abgründe des Einzelnen und wie er sich seinem Mitmenschen gegenüber verhält. Neben Kierkegaard gibt es keinen Schriftsteller, der so sehr den absoluten Vorrang des Einzelnen rettet und tief verborgene Absichen ebensogut errät wie Hoffnungen, Ängste und Verzweiflung. Und dieser Roman ist voller lebendiger Menschen, keine konstruierten Pappkameraden. Auch hier gilt Swetlana Geiers Neuübersetzung (1998) als beste Version. |